
Anorexia Nervosa und Bulimia Nervosa gehören zu den häufigsten Essstörungen und werden oft verwechselt. Was genau unterscheidet diese beiden Krankheitsbilder eigentlich? Die Anorexie oder Magersucht ist die wohl bekannteste der Essstörungen. Die Krankheit zeigt klar erkennbare Zeichen. Betroffene sind meist stark untergewichtig. Andere körperliche Mängel wie stumpfes, dünnes Haar oder trockene Haut und Wassereinlagerungen sind schnell erkennbar. Bei der Bulimie, der Ess-Brech-Sucht, muss die Krankheit nicht unbedingt am körperlichen Erscheinen erkennbar sein. Im Gegensatz zur Anorexie ist es bei der Bulimie typisch, dass unkontrollierte Essattacken auftreten, die dann mit gewichtsreduzierenden Maßnahmen wieder ausgeglichen werden.
Welche Ursachen gibt es für die Magersucht?
Eine mögliche Ursache der Magersucht ist der gesellschaftliche Schlankheitswahn und das in den Medien vermittelte Schönheitsideal eines schlanken Körpers.
Ein weiterer wichtiger Faktor ist die Persönlichkeit der betroffenen Person. Magersüchtige haben oftmals ein niedriges Selbstwertgefühl. Sie sind sehr perfektionistisch und diszipliniert. Eine enge Verbindung zu zwanghaftem Verhalten kann bestehen.
Inhaltsverzeichnis
Familiäre und genetische Ursachen der Anorexie
Das soziale Umfeld verlangte in der Kindheit schon Disziplin. Magersüchtige stammen oft aus Familien, die einen großen Wert auf Leistung legen. Meist ignorierte das Umfeld Konflikte und Emotionen der Personen. Extrem schwierige Familienverhältnisse, der Verlust eines Angehörigen und andere traumatische Erlebnisse können eine Anorexie begünstigen.
Ein weiterer Faktor ist die genetische Veranlagung. Eine familiäre Häufung der Magersucht ist nicht selten. Die Kinder von Müttern mit Anorexie haben ein erhöhtes Risiko zu erkranken. Gestützt wird dieser Ansatz durch die Ergebnisse einer internationalen Studie, an der auch Forscher der Universität Duisburg-Essen beteiligt waren. 3.495 Magersucht-Patient*innen wurden untersucht. Die Forscher*innen fanden ein Gen auf dem Chromosom 12, welches die Entwicklung von Anorexia Nervosa begünstigt.
Neue Therapieoptionen dank Magersucht-Gen?
„Diese Entdeckungen können das bisherige Verständnis der Anorexia Nervosa nachhaltig verändern. Eine psychiatrische Störung mit einem physiologischen Hintergrund eröffnet neue und bislang unerwartete Therapieoptionen“, erklärt die Professorin Anke Hinney. Bis diese Erkenntnisse tatsächlich zu neuen Therapiemethoden der Magersucht führen, bleiben Psychotherapie, Ernährungstherapie und eine begleitende medizinische Versorgung das Mittel der ersten Wahl.
Kreislauf des Essens und Erbrechens
Die Bulimie, auch Ess-Brech-Sucht genannt, kennzeichnet hingegen ein unkontrolliertes Essen in riesigen Mengen, welches danach hauptsächlich durch selbst herbeigeführtes Erbrechen wieder ausgeschieden wird, um eine Gewichtszunahme zu vermeiden. Neben dem Erbrechen neigen Betroffene zum Missbrauch von Abführmitteln, Medikamenten, Entwässerungsmitteln oder anderen Substanzen. Zudem kann auch übermäßig viel Sport getrieben werden, um das Gewicht zu kontrollieren.
Von der Erkrankung sind überwiegend Mädchen und Frauen betroffen. Die Bulimie bildet sich meist Ende der Pubertät oder im frühen Erwachsenenalter und folgt in vielen Fällen einer Magersucht. Betroffene haben oftmals ein verzerrtes Bild des eigenen Körpers. Sie nehmen sich als zu dick wahr, obwohl sie normal- oder untergewichtig sind. Durch das häufige Erbrechen, oder den Missbrauch von Abführ- oder Entwässerungsmitteln, kommt es in den meisten Fällen zu starken Gewichtsschwankungen. Durch das häufige Erbrechen können Schwellungen der Speicheldrüsen am Unterkiefer oder den Wangen von außen erkennbar werden und zu einer Veränderung der Gesichtsform führen.
Woran erkennt man Bulimie?
Kennzeichnend für das Krankheitsbild der Bulimie sind die wiederholten Essanfälle. Dabei werden enorme Mengen an hochkalorischer Nahrung zu sich genommen. Im Anschluss erfolgen kompensatorische Verhaltensweisen, wie beispielsweise das Erbrechen der Nahrung. Betroffene haben meist große Angst davor dick zu werden. Figur und Gewicht haben einen starken Einfluss auf das Selbstwertgefühl. Charakteristisch für Erkrankte ist zudem das hohe Maß an Ehrgeiz, Intelligenz sowie der Drang nach Perfektion. Mit der Krankheit gehen oftmals Gefühle von Scham, Schuld, Langeweile, Wut, Frustration und Leere einher. Dies führt meist dazu, dass Betroffene sich immer mehr isolieren, um ihre Essanfälle heimlich vorzubereiten und auszuleben. Die Diagnose Bulimia Nervosa wird dann gestellt, wenn mindestens zweimal die Woche erbrochen wird und die Symptome drei Monate bestehen.
Welche Ursachen hat die Ess-Brech-Sucht?
Wie bei allen Essstörungen gibt es meist mehrere Ursachen für die Entstehung der Krankheit. Biologische Faktoren wie:
- genetische Veranlagung
- Serotoninmangel
- geringer Wert an Opioiden können Ursache für die Bulimie sein. Durch den Mangel an Serotonin und körpereigenen Opioiden, welche das Schmerzempfinden und den Appetit reduzieren können, kann es dazu kommen, dass das Sättigungsgefühl zu spät oder gar nicht einsetzt.
Bei Bulimiker*innen tauchen folgende Persönlichkeitsmerkmale besonders häufig auf: ein negatives Selbstbild, extreme Schlankheit als Idealvorstellung, hoher Leistungsanspruch sowie ein geringes Selbstwertgefühl. Zudem haben die Betroffenen überzogene Erwartungen an sich und sind enorm selbstkritisch, was in ihnen das Gefühl entstehen lässt, nicht gut genug zu sein, und zu Versagensängsten führt. Durch die Essanfälle versuchen Bulimiker*innen einen Ausgleich für den permanenten Leistungsdruck zu finden. Sie “belohnen” sich durch das Essen von hochkalorischer Nahrung, die sie sich sonst nicht erlauben. Das herbeigeführte Erbrechen wirkt neben der Vermeidung der Gewichtszunahme für viele Betroffene befreiend und entspannend, da sie durch die ständige Unzufriedenheit unter starken Spannungszuständen leiden.
Welche familiären Ursachen begünstigen die Bulimie?
Oft erfahren Betroffene in ihrer Familie zu wenig bis gar keine Wärme, Zuneigung, oder Anerkennung. Zudem neigt die Familie zu einem impulsiven Auslegung bestehender Konflikte, da ihr eine angemessene Streitkultur fehlt. Auch ein zu hoher Leistungsanspruch seitens der Eltern begünstigt die Krankheit. Nicht selten bestehen bei den Eltern psychische Erkrankungen wie Essstörungen oder andere Suchterkrankungen. Dadurch fehlt ein Vorbild für normales Essverhalten. Ein weitere, sehr große Einfluss ist das Schönheitsideal der westlichen Kultur. Viele Bulimiker*innen sind anfangs leicht übergewichtig, was zu Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper führen kann. Aus einer vermeintlich harmlosen Diät kann sich dann unter Umständen eine Bulimie entwickeln.
Welche gesundheitlichen Folgen hat die Bulimie?
Das über Jahre immer wieder herbeigeführte Erbrechen kann gravierende Folgen haben.
Zudem kommt es auffallend häufig vor, dass Betroffene neben der Bulimie an einer Posttraumatischen Belastungsstörung oder Persönlichkeitsstörung (PS) leiden. Vermehrt treten hier die Borderline PS (emotional-instabil), die ängstlich-vermeidende PS und die zwanghafte PS auf.
Wie kann die Bulimie therapiert werden?
Neben einer Ernährungsberatung ist eine Psychotherapie zwingend notwendig. Besonders wirksam bei der Therapie der Bulimie ist die kognitive Verhaltenstherapie. Dabei wird an negativen Denk- und Verhaltensmustern gearbeitet, um konstruktive Bewältigungsstrategien für die Spannungszustände und belastenden Ereignisse zu finden. Außerdem dient die Therapie dazu, wieder einen gesunden Bezug zu Nahrungsmitteln herzustellen. Zudem können familientherapeutische Interventionen hilfreich sein. Um körperliche Folgen der Erkrankung zu beobachten und zu therapieren, sind regelmäßige Arztbesuche äußerst wichtig. Als weitere Unterstützungsmöglichkeiten haben sich Entspannungsübungen sowie die Kunst- und Bewegungstherapie erwiesen.
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Quellenangaben
- ANAD e.V. Bundesfachverband Essstörungen e.V. Ess-stoerungen.net Hungrig-Online e.V.
- Herpertz, S., de Zwaan, M., Zipfel, S. (Hrsg.) (2015). Handbuch Essstörungen und Adipositas. 2. Aufl. Springer.
- Legenbauer, T., Vocks, S. (2014). Manual der kognitiven Verhaltenstherapie bei Anorexie und Bulimie. 2. Aufl. Springer.
- Universität Duisburg Essen (2017). Gen für Anorexia nervosa nachgewiesen - Magersucht kann angeboren sein. Online verfügbar unter https://www.uni-due.de/med/meldung.php?id=462 (letzter Zugriff: 18.03.2021)