
Es ist ein häufiges Begleitmerkmal von Essstörungen, dass Betroffene ihren Körper falsch, als zu hässlich, zu dick oder zu dünn wahrnehmen. Dieser verzerrten Wahrnehmung liegt meist eine Körperschemastörung, auch Körperbildstörung oder Dysmorphobie, zugrunde.
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Inhaltsverzeichnis
Was ist eine Körperschemastörung?
Viele Menschen wünschen sich hin und wieder, sie hätten ein paar Kilo weniger auf den Rippen, haben ihre vermeintlichen Problemzonen und finden sich “zu dick”. Bei einer Körperschemastörung aber ist die Wahrnehmung des eigenen Körpers und der eigenen Figur so gestört, dass Betroffene sich selbst – auch wenn sie objektiv betrachtet längst untergewichtig sind – als viel zu dick und hässlich wahrnehmen.
Die Körperschemastörung gilt als ein wichtiges Diagnosekriterium von Essstörungen, kann aber auch ganz andere Bereiche des Körpers betreffen. Dabei werden die eigenen Körperteile nicht nur als hässlich, sondern oft auch als deformiert wahrgenommen. Tritt eine solche Körperbildstörung nicht in Zusammenhang mit einer Essstörung auf, so werden oft Gesicht oder Kopf verzerrt wahrgenommen. Betroffene finden beispielsweise ihre Nase zu groß, leiden unter Narben im Gesicht oder unter als entstellend empfundenen Ohren.
Symptome einer Körperschemastörung
Körperschemastörungen können sich auf unterschiedlichen Ebenen oder Dimensionen äußern. Zum einen zeigen sie sich in der falschen Wahrnehmung und einer unverhältnismäßigen Überschätzung oder Verurteilung der eigenen Körpermaße, der Körperteile und der Figur. Auf einer weiteren Ebene machen sich Körperbildstörungen in negativen Gedankenspiralen bemerkbar. Diese können bis hin zu Ekel und Ablehnung des eigenen Körpers reichen.
Eine letzte Ebene, auf der sich Körperschemastörungen zeigen können, ist die Verhaltensebene. Die falsche Wahrnehmung des eigenen Körpers führt dazu, dass Betroffene sich für bestimmte Bereiche des eigenen Körpers so sehr schämen, dass sie diese permanent vor anderen verstecken wollen. Das äußert sich beispielsweise durch das Tragen von weiter und kaschierender Kleidung. Auf der Verhaltensebene kann es auch zu einer übermäßigen Beschäftigung mit dem Körper und der Figur kommen. Zudem werden auf dieser affektiven Ebene oft Tätigkeiten vermieden, bei denen der Körper gezeigt werden muss oder eine erhebliche Rolle spielt, was bei Betroffenen insbesondere das Sexualverhalten betreffen kann. Körperschemastörungen werden zudem oft von einem geringen Selbstwertgefühl begleitet.
Ursachen von Körperschemastörungen
Die Faktoren, die das Entstehen einer Körperschemastörung begünstigen, können ebenfalls in drei Dimensionen unterteilt werden: Eine allgemeine soziokulturelle und eine spezifische soziokulturelle sowie eine individuelle.
- Soziokulturelle Ebenen: Hierbei handelt es sich um all jene Faktoren, die durch die Gesellschaft beeinflusst werden, wie beispielsweise den stark durch Medien vermittelten Druck, schlank zu sein. Der Wunsch, diesem schlanken Schönheitsideal zu entsprechen, das in sozialen Medien oft sehr realitätsfern vermittelt wird, kann zu einer falschen und gestörten Wahrnehmung des eigenen Körpers führen. Auf einer spezifischeren Ebene handelt es sich hierbei um Faktoren, die in einer bestimmten Gruppe als Norm gelten. Vocks und Legenbauer führen in diesem Zusammenhang den Eiskunstlauf sowie den Balletttanz als Beispiel an. In beiden Bereichen wird ein schlanker Körper als Voraussetzung und als Gruppennorm angesehen.
- Individuelle Ebene: Auch individuelle, persönlichkeitsbezogene Faktoren können die Entstehung einer Körperschemastörung begünstigen. Hierbei handelt es sich vor allem um die eigene Lebensgeschichte und die eigene Persönlichkeit. Auch spezielle individuelle Körpermerkmale, wie beispielsweise Gewichtsveränderungen im Laufe der Zeit, spielen hier eine Rolle.
Körperschemastörungen als Symptom von Essstörungen
Körperschema- oder Körperbildstörungen werden neben der Angst zuzunehmen, inzwischen als wesentlicher Bestandteil und als ein Diagnosekriterium von Essstörungen beschrieben. Besonders häufig kommt eine Körperbildstörung bei den Essstörungen Anorexie und Bulimie vor. Die Körperschemastörung kann aber nicht nur ein Symptom, sondern auch ein Auslöser für eine dieser beiden Essstörungen sein. Die negative Wahrnehmung des eigenen Körpers kann dazu führen, ihn kontrollieren und verändern zu wollen.
Die Definition der Körperbildstörung bei der Magersucht ist aber anders als bei der Bulimie. Bei der Anorexie beinhaltet die Klassifikation der Körperbildstörung auch die übertriebene Angst vor der Gewichtszunahme, eine falsche Wahrnehmung des Körpers und der Figur, den großen Einfluss des Gewichts oder der Figur auf das Selbstbild und die Leugnung des meist schon sehr niedrigen Körpergewichts. Bei der Bulimie hingegen zeigt sich die Körperschemastörung lediglich durch den übermäßigen Einfluss des Körpergewichtes auf den Selbstwert.
Therapie von Körperschemastörungen
Als effektivste Therapie von Körperbildstörungen und den damit verbundenen Essstörungen gelten die Methoden der kognitiven Verhaltenstherapie. Sie versuchen hauptsächlich, dysfunktionale Verhaltensweisen und Gedankenspiralen zu unterbrechen. So soll destruktives Verhalten in Bezug auf den eigenen Körper unterbunden werden. Da Körperbildstörungen als zentrales Symptom von Essstörungen gelten, ist es wichtig, zunächst an einem positiven Körperbild zu arbeiten. Neben der kognitiven Verhaltenstherapie eignet sich auch die Körperbildtherapie. Ähnlich wie bei der Therapie von Angststörungen wird hier mit Konfrontation gearbeitet. Durch wiederholtes und gezieltes Auseinandersetzen mit dem eigenen Körper können negative Assoziationen mit diesem reduziert werden.
Quellenangaben
- Hutterer, J. (2013). Diagnostik und Therapie von Körperbildstörungen bei Anorexia nervosa und Bulimia nervosa (Doctoral dissertation, uniwien).
- Martin, A. & Scaldi, J. (2015). Körperbild und Körperbildstörungen.
- Ruckgaber, K.-H., Dieffenbacher, I. (2017). Körperschema bei Essstörungen. In: Originalia. Der Merkurstab. Heft 4. p. 272-277.
- Tuschen-Caffier, B. (2008). Körperbildstörungen. In Handbuch Essstörungen und Adipositas (pp. 82-86). Springer, Berlin, Heidelberg.
- Vocks, S., & Legenbauer, T. (2010). Körperbildtherapie bei Anorexia und Bulimia Nervosa. Ein kognitiv-verhaltenstherapeutisches Behandlungsprogramm. Göttingen, Bern, Wien u.a.: Hogrefe Verlag.
- Wittek, N. (2003). Untersuchungen zur Körperschemastörung bei Anorexia Nervosa.