
Magersucht, auch Anorexia nervosa genannt, ist eine psychische Erkrankung und gehört zu den Essstörungen. Frauen sind häufiger betroffen als Männer. Ursachen und Symptome der Magersucht sind bei beiden Geschlechtern ähnlich.
Magersucht ist eine schwerwiegende Erkrankung, deren Behandlung sich meist lang hinzieht. Starker Gewichtsverlust oder dauerhaftes Untergewicht deuten auf Magersucht hin. Merkmale, Symptome und Ursachen können je nach Form der Magersucht voneinander abweichen. Denn man unterscheidet zwischen dem restriktiven Typ, der strikte Diäten einhält und hungert, um abzunehmen und dem aktiven Typ, der zusätzlich die aufgenommene Nahrung wieder erbricht. Eine Unterform des aktiven Typs ist der Purging-Typ (engl. to purge = abführen): Durch die Einnahme von Abführ- und/oder Entwässerungsmitteln versuchen die Betroffenen immer mehr an Gewicht zu verlieren.
Inhaltsverzeichnis
Magersucht: Symptome und Folgen
Eines der klassischen Magersucht-Symptome ist Untergewicht. Doch ein zu geringes Gewicht allein kann nicht Grund für eine Diagnose sein. Es müssen weitere Symptome für Magersucht (Anorexia nervosa) vorliegen, um die Diagnose sicherstellen zu können und eine entsprechende Behandlung einzuleiten. Diese können körperlicher oder psychischer Natur sein. Vor allem die körperlichen Symptome können auf Dauer zu schweren Folgeerkrankungen führen.
Magersucht: körperliche Symptome
Woran erkennt man Magersucht? Symptome, die den Körper betreffen sind beispielsweise:
- Untergewicht
- starke Gewichtsabnahme in kurzer Zeit
- starker Haarausfall
- trockene Haut
- Kälteempfindlichkeit
- dauerndes Frieren
- Lanugobehaarung
- Verstopfung (Obstipation)
- Schwellung der Speicheldrüsen
- Schlafstörungen
- Ödeme aufgrund von Nierenfunktionsstörungen
- Zahnschmelzerosion (bei aktiver Magersucht mit Erbrechen)
- Konzentrationsschwierigkeiten
- unregelmäßige oder ausbleibende Periode bei Frauen
- Potenzprobleme bei Männern
Auch wichtig zu wissen über Magersucht-Symptome: Verhalten kann sich ändern. Vor allem bei der aktiven Form mit Erbrechen neigen Betroffene von Anorexia nervosa zu einer übertriebenen Zahnhygiene, die zum Abflachen der Kauflächen, brüchigen Frontzähnen oder insgesamt gelblichen Zähnen führen kann. Letzteres resultiert daraus, dass das unter dem dünner werdenden Zahnschmelz gelblich gefärbte Zahnbein durchschimmert.
Die starke Abmagerung wirkt sich zudem auf das Herz-Kreislauf-System aus. Puls und Blutdruck sinken dauerhaft ab, auch Atemfrequenz und Herzschlag verlangsamen sich. Das führt zu einer größeren Kälteempfindlichkeit, kann aber auch Schwindel und Ohnmachtsanfälle auslösen.Wer hungert, nimmt automatisch auch weniger Nährstoffe auf. Mit der Zeit stellt sich ein Nährstoffmangel ein, der sich nicht nur auf Haut und Haare auswirkt, sondern auf alle Bereiche des Körpers sowie weitere Magersucht-Symptome. Anzeichen eines Nährstoffmangels sind:
- Herzrhythmusstörungen -> Kaliummangel
- veränderter pH-Wert des Blutes durch verschobenes Säure-Basen-Gleichgewicht -> Mangel an Elektrolyten wie Natrium, Kalium und Magnesium
- Nierenfunktionsstörungen durch verschobenes Säure-Basen-Gleichgewicht -> Mangel an Elektrolyten wie Natrium, Kalium und Magnesium
- trockene Haut, brüchige Fingernägel -> Mangel an Biotin (Vitamin B7)
- Verformungen der Fingernägel, sogenannte „Uhrglasnägel“ -> allgemeiner Nährstoffmangel und in Folge zu wenig Sauerstoff im Gewebe
- Anämie (Blutarmut) -> allgemeiner Vitaminmangel und Mangel an Folsäure
- Nervenerkrankungen (Polyneuropathie) -> insbesondere Mangel an B-Vitaminen
- brüchige Knochen (Osteoporose), weiche Knochen (Osteomalazie) -> Mangel an Phosphat, Calcium und Vitamin D3
Auch ein geschwächtes Immunsystem ist typisch bei Magersucht. Erste Symptome dafür können häufigere kleinere Infekte sein. Bei stark ausgeprägter Magersucht mit extremem Untergewicht können Infektionskrankheiten bis hin zum Tod führen. Gleiches gilt für die durch Anorexia nervosa ausgelösten Herzprobleme. Wird die Krankheit behandelt und mit der Zeit wieder ein gesundes, normales Gewicht erreicht, bildet sich ein Großteil der körperlichen Symptome zurück. Einige Folgekrankheiten, etwa die Osteoporose, bleiben jedoch dauerhaft bestehen.
Magersucht: psychische Symptome
Neben den körperlichen Symptomen gibt es eine Reihe psychischer Anorexia-nervosa-Symptome. Mitunter sind diese für Außenstehende, beziehungsweise für Angehörige, einfacher zu erkennen als die körperlichen Symptome. Denn die körperlichen Symptome sind für Laien oft gar nicht erkennbar. Die, die erkennbar sind, wie das Untergewicht, dünne Haare oder brüchige Fingernägel, können durchaus auch andere Ursachen haben. Treten jedoch zusätzlich typische psychische Verhaltensweisen auf, ist das ein starkes Anzeichen für Magersucht. Was gehört zu den psychischen Symptomen? Magersucht äußert sich diesbezüglich wie folgt:
Störung der eigenen Körperwahrnehmung:
Personen, die unter Anorexia nervosa leiden, finden sich prinzipiell zu dick. Auch dann, wenn sie ein Normal- oder Idealgewicht haben. Entsprechend halten sie strenge Diät. Und selbst wenn sie einige Kilo verloren haben, vergeht das Empfinden, zu dick zu sein, nicht. Diese Störung der eigenen Wahrnehmung nennt man auch Körperschemastörung. Dazu gehört, dass sich Betroffene prinzipiell nicht als krank ansehen und der Ansicht sind, keine Therapie zu benötigen. Selbstkritik am eigenen Körper ist ein typisches Verhalten bei Magersucht.
Fokussierung auf das Gewicht:
Magersüchtige haben panische Angst davor, auch nur wenige Gramm zuzunehmen. Die Waage bestimmt den Alltag. Mehrmals täglich wird das Gewicht kontrolliert. Teilweise führen die Betroffenen Buch über die für sie so wichtigen Zahlen. Die Angst vor der Gewichtszunahme ist regelrecht panisch und deutlich übersteigert.
Übertriebener Fokus auf die Ernährung:
Ebenso wie um das Gewicht kreisen die Gedanken bei Magersüchtigen um die komplette Ernährung. Sie versuchen, so weit möglich, die Kontrolle über die Mahlzeiten zu behalten. Die meisten Betroffenen vermeiden es, in Gegenwart anderer zu essen und schlagen Einladungen häufig aus. Im Gegenzug neigen sie dazu, durchaus gern für andere zu kochen, essen dann jedoch nicht mit oder nur winzige Portionen. Ebenfalls auffällig ist, dass Magersüchtige häufig viel Wasser zum Essen trinken, um ihren Magen möglichst kalorienfrei zu füllen. Auch übermäßiges Herumstochern und sehr langsames Essen kann ein Indiz sein. Mit selbst ausgedachten Essensritualen versuchen sie, ihre auffällige Form der Minderernährung zu begründen. Da die Nahrungsaufnahme dermaßen im Fokus steht, beschäftigen sich Betroffene viel mit Ernährungsfragen. Der Kaloriengehalt einzelner Lebensmittel sowie die Möglichkeiten, möglichst kalorienarm satt zu werden, spielen dabei eine große Rolle.
Depressive Verstimmungen und Reizbarkeit:
Erleben die Magersüchtigen am Anfang ihrer Erkrankung häufig regelrecht euphorische Schübe, weil sie sich vermeintlich so diszipliniert verhalten und die Kontrolle über ihr Leben haben, schlagen die positiven Stimmungen im Verlauf der Erkrankung um. An ihre Stelle treten depressive Verstimmungen, die bis hin zur manifesten Depression reichen können. Außerdem Gleichgültigkeit und Reizbarkeit. Betroffene vermeiden in dieser Phase soziale Kontakte, um ihre Probleme weiterhin verheimlichen zu können. Sie ziehen sich zurück und vernachlässigen Freundschaften und eigene Interessen.
Atypische Magersucht-Symptome
Die untypische Magersucht oder auch atypische Anorexie kommt häufig bei übergewichtigen Jugendlichen vor. Auch sie haben ein gestörtes Verhältnis zum Essen und ihrem Körper. Nehmen Sie massiv ab, haben sie nicht sofort Untergewicht, sondern aufgrund des vorherigen Übergewichtes eher Normalgewicht. Das bedeutet, man sieht ihnen die Essstörung, beziehungsweise das extreme Hungern nicht (sofort) an. Die körperlichen Folgen sind jedoch dieselben wie bei der typischen Anorexie.
Gerade bei Jugendlichen ist der Hormonhaushalt durch die Essstörungen schnell gestört, sodass auch bei jungen Mädchen die Regelblutung ausbleibt. Gefährlich ist auch ein Elektrolytungleichgewicht durch Mangelversorgung, das zu Störungen der Gehirnfunktion, der Herzfunktion und der Nierenfunktion führen kann. Kinder und Jugendliche mit Übergewicht sollten daher immer unter ärztlicher Kontrolle abnehmen, um Essstörungen als Folgeerkrankung zu vermeiden.
Magersucht bei Kindern: Symptome und Besonderheiten
Schon kleine Kinder können unter Essstörungen leiden. Dabei unterscheidet man zwischen Kleinkindern und Kindern bis Jugendlichen. Denn die Symptome für Magersucht bei Kindern sind verschieden. So spricht man bei Kleinkindern noch nicht von Magersucht, sondern von Essstörungen. Im Normalfall wissen Babys und Kleinkinder instinktiv, was ihr Körper benötigt. Einflüsse von außen können diesen Instinkt stören. So ist es zum Beispiel falsch, Kinder dazu zu zwingen, den Teller leer zu essen. Denn das kann die natürliche Wahrnehmung von Hunger und Sättigung stören.
Es ist normal, dass Kinder in verschiedenen Phasen ihrer Entwicklung ein bestimmtes Essverhalten an den Tag legen. So mögen sie an einigen Tagen nur rotes Gemüse essen, dann wieder nur grünes und dann verweigern sie eine Mahlzeit komplett. All das ist kein Grund zur Besorgnis, solange sich das Gewicht in einem gesunden Bereich befindet. Eltern, die aus Besorgnis heraus ihr Kind zum Essen zwingen, richten größeren Schaden an. Bei Unsicherheiten bezüglich des Essverhaltens von Babys und Kleinkindern ist es sinnvoll, sich an einen Kinderarzt zu wenden.
Anders sieht es bei Kindern ab dem späten Grundschulalter aus. Schon Kinder ab elf Jahren können unter Magersucht leiden. Bei einem Fünftel der Kinder und Jugendlichen zwischen elf und 17 Jahren finden sich laut Robert Koch-Institut Hinweise auf gestörtes Essverhalten. Mädchen sind dabei fast doppelt so häufig betroffen wie Jungen. Die Auslöser sind dabei vielfältig und sehr individuell, die Symptome jedoch ähnlich denen von Erwachsenen. Zwar zählen betroffene Kinder häufig keine Kalorien, doch auch bei ihnen ist schon fest im Kopf verankert, dass Essen dick macht.
Chronische Magersucht: Symptome und Folgen
Eine Anorexie kann chronisch verlaufen. So treten beispielsweise durch die Mangelernährung deutliche Veränderungen beim Gefühl von Hunger und Sättigung auf, die den Fortbestand einer Magersucht begünstigen. Auch Magen-Darm-Beschwerden wie Verstopfung und Blähungen mindern den Appetit, was die Krankheit ebenfalls verstärkt und zu einem chronischen Verlauf führen kann. Zwar ist Magersucht grundsätzlich heilbar, doch vor allem bei einem chronischen Verlauf ist die Sterblichkeit erhöht. Grund sind die Schäden der inneren Organe, die durch die dauerhafte Mangelernährung entstehen. Typisch für eine chronische Magersucht sind häufige Krankenhausaufenthalte und regelmäßige Rückfälle.
Magersucht: Ursachen und Auslöser
Als Ursachen für Magersucht werden verschiedene Optionen diskutiert. Darunter biologische, psychologische und gesellschaftliche Magersucht-Ursachen. Magersucht bei Erwachsenen und Magersucht bei Kindern haben ähnliche Ursachen. Insbesondere die biologischen Faktoren betreffen alle Altersgruppen. So können Verwandte von Betroffenen ein erhöhtes Risiko haben, selbst an Magersucht zu erkranken. Je enger der Verwandtschaftsgrad, desto höher das Risiko. Man vermutet, dass verschiedene Gene das Risiko begünstigen. Aber auch bestimmte Botenstoffe und Hormone, die auf das Zentrum im Gehirn wirken, können eine Magersucht begünstigen – zumindest sind sie am Fortbestand der Krankheit beteiligt. Wie genau diese Mechanismen funktionieren, ist noch nicht endgültig untersucht.
Magersucht: psychische Ursachen
Zu den psychischen Ursachen von Magersucht und Bulimie gehören zum einen bestimmte Persönlichkeitsmerkmale wie Perfektionismus oder Zwanghaftigkeit. Beispielsweise auch ein geringes Selbstwertgefühl führt mitunter zu Magersucht. Psychische Ursachen können durch äußere Einflüsse verstärkt werden. Etwa durch negatives Feedback von Familie, Freunden oder in der Schule. Wenn vor allem Jugendliche das Gefühl haben, den Anforderungen der jeweiligen Lebensphase nicht gewachsen zu sein, bestärkt sie das in ihrem verminderten Selbstwertgefühl.
Magersucht: gesellschaftliche Ursachen
Zu den äußeren Einflüssen, die eine Magersucht begünstigen können, gehören soziale und gesellschaftliche Ursachen. Nicht nur in den westlichen Industrienationen, aber insbesondere dort, transportieren Werbung und seit einigen Jahren auch die sozialen Medien Schönheitsideale, die nicht der Wirklichkeit entsprechen. Gerade Jugendliche in der Pubertät sind jedoch äußerst anfällig für solche Ideale und eifern ihren Idolen auf Instagram und Co. nach.
Sie wollen vermeintlich ebenso schön und schlank sein wie die Influencer. Dass viele Fotos mit Filtern bearbeitet sind, wird dabei nicht bedacht. Auch wenn anfangs nur der Wunsch nach einer leichten Gewichtsreduktion oder einer einmaligen Diät steht, kann der Weg in die Magersucht schleichend sein. Das Nacheifern vermeintlicher Idealbilder gehört daher zu den typischen Anorexia-nervosa-Ursachen.
Magersucht-Ursachen: Familie als Faktor
Auch die Familie gehört manchmal zu den Magersucht-Ursachen. Mutter, Vater, Geschwister und das Verhältnis zu ihnen können eine große Rolle spielen. Der Umgang mit (zu) hohen Anforderungen der Eltern, regelmäßige Vergleiche mit Geschwistern, aber auch Probleme mit Nähe und Distanz innerhalb der Familie können sich negativ auf das Selbstwertgefühl auswirken und somit einen möglichen Faktor für eine Magersucht verstärken.
Magersucht bei Männern: Ursachen und Besonderheiten
Die Ursachen von Magersucht bei Männern und auch die Symptome sind ähnlich denen bei Frauen. Gleiches gilt für Magersucht bei Jungen. Ursachen sind auch hier häufig Perfektionismus, der zwanghafte Wunsch nach einem perfekten Aussehen oder auch ein zu geringes Selbstwertgefühl. Bei Männern kann das gestörte Verhältnis zum Körper nicht nur zu Magersucht führen, sondern auch zu Muskelsucht. Gerade Jungen in der Pubertät empfinden sich oft als zu schmächtig. Ihr Tagesablauf ist dann nicht vom ständigen Gedanken ans Essen bestimmt, sondern vom körperlichen Training.
Quellenangaben
- Öffentliches Gesundheitsportal Österreichs o(. D.). Magersucht, was ist das?https://www.gesundheit.gv.at/krankheiten/psyche/essstoerungen/magersucht-was-ist-das
- Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (2019, 25. Dezember): Essstörung mit „normalem“ Gewicht: Atypische Magersucht. Kinder- & Jugendärzte im Netz. https://www.kinderaerzte-im-netz.de/news-archiv/meldung/article/essstoerung-mit-normalem-gewicht-atypische-magersucht/
- Robert-Koch-Institut (2008, Dezember). Störungen des Essverhaltens. In: Gesundheit und Krankheit. https://www.rki.de/DE/Content/Gesundheitsmonitoring/Studien/Kiggs/Basiserhebung/GPA_Daten/Essverhalten.pdf?__blob=publicationFile
- Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (o. D.). Essstörungen bei Jungen und Männern. https://www.bzga-essstoerungen.de/habe-ich-eine-essstoerung/essstoerungen-bei-jungen-und-maennern/?L=0
- Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (o. D.). Magersucht. https://www.bzga-essstoerungen.de/was-sind-essstoerungen/arten/magersucht/?L=0
- Sonnenmoser, M. (2017, Dezember). Essstörungen bei Männern: Nicht nur eine „Frauenkrankheit“. Ärzteblatt.de. https://www.aerzteblatt.de/archiv/195309/Essstoerungen-bei-Maennern-Nicht-nur-eine-Frauenkrankheit
- Neurologen und Psychiater im Netz (o. D.). Was ist Bulimie bzw. Ess-Brechsucht? https://www.neurologen-und-psychiater-im-netz.org/kinder-jugendpsychiatrie-psychosomatik-und-psychotherapie/stoerungen-erkrankungen/bulimia-nervosa